Tag 8 – Wale oder Nordlichter

Laksforsen im Winter 

Wir sind gestern bei Tiefsttemperaturen von 27 Grad nicht am Laksforsen gelandet, weil es mir zu heikel war, dorthin zu fahren. Es ist sowas von dunkel, dass man sich nicht auf Abwege traut. Die Zufahrt zum Wasserfall kennen wir aus den Sommerreisen und möchten das jetzt nicht unbedingt im Winter testen. 

Am Wasserfall ist ein Souvenirshop und ein Café, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass etwas geöffnet hat in der ersten Januarwoche bei Tiefsttemperaturen und ohne Touristen. Aus diesem Grund war uns die Zufahrt zu heikel im Stockdunklen und wir haben beschlossen, uns ein anderes Schlafplätzchen zu suchen.  

Ca. 14 km vor dem Wasserfall, haben wir einen Parkplatz an einer Pizzeria gefunden (ooch nee; nicht schon wieder Pizza). 

Nein, es ist ein öffentlicher Parkplatz, wo sich ein Trucker mit seinem Gefährt schon eingekuschelt hat. Was die Jungs können, das können wir auch, und wir stellen uns nicht weit weg von ihm. Da hier auch noch ein Schild ist mit einem Bus drauf, stellen wir uns dahin, denn Reisebusse werden im Winter in Coronazeiten hier nicht parken wollen. Dann haben wir auch gleich am nächsten Morgen etwas auf dem Deckel: Nämlich einen Souvenirshop und einen Wasserfall, aber beides bei Tageslicht.  

Die Hubstützen lasse ich schön drin, denn wir haben ja aus der letzten Nacht gelernt. Ich schaukele lieber die ganze Nacht auf einer Luftfederung rum, als morgens vor dem ersten Kaffee einer Hydraulikanlage neues Leben einhauchen zu müssen – UNTER dem Auto bei Minusgraden im zweistelligen Bereich. Also einparken unter dem Busschild, ein leckeres Abendessen servieren lassen. Nein, nicht von Giovanni dem Pizzabäcker, sondern vom heimischen Herd, denn Conny kocht.  

Nach dem Abendessen noch ein lecker Weinchen (wir haben ja zum Glück genug mitgenommen) und dann fällt das müde Haupt auch schon in den wohl verdienten Schlaf.  

Parken wie ein Bus

Der Reiseplan steht für diesen Tag noch nicht fest, denn wir wissen nur, dass wir den Wasserfall sehen wollen im Eis, und dass wir mehrere Hochplateaus vor uns haben. Ob wir die alle passieren können, oder ob sie gesperrt sind, das wissen wir alles (noch) nicht. Auf jeden Fall möchte ich bis zum Polarcircle kommen. Und wenn es geht, sogar noch ein Stück weiter, denn mir sitzt die Zeit im Nacken. 

Laut Wetterbericht haben wir Samstag und Sonntag noch schönes klares Wetter, sofern man bei den Minusgraden von „schönem Wetter“ reden kann. Der Himmel bleibt noch klar bis Montag, dann wird es bewölkt und soll eine ganze Woche regnen. Wir wollen ja Nordlichter sehen – auch wenn wir nur eine 30 prozentige Chance haben – und dafür braucht man sternenklare Nächte ohne Wolken und besser sogar Tiefsttemperaturen. Denn je tiefer die Temperaturen, desto klarer die Atmosphäre, weil sich in kalter Luft keine Wassertropfen halten können.   

Wer es nicht glaubt, der kann es selbst probieren zu Hause. Ich empfehle dazu jetzt im Winter folgendes Experiment:  

Zu Hause im Badezimmer die Heizung aufdrehen und dann unter die Dusche stellen. Der Raum wird regelrecht zugedampft.  Wenn Du fertig bist mit Warmduschen im warmen Bad, dann reißt Du alle Fenster auf die Du hast und drehst die Heizung zu. Am besten bei 15 Grad Minus! 

Jetzt sagst Du Deinem Partner (Partnerin): Schatz, es ist alles fertig, kannst duschen gehen. Und Du wirst sehen, es sammelt sich kein Dampf. Nicht weil die Wolken abziehen oder weil Dein Partner(in) schimpft wie ein Rohrspatz im kalten Bad, sondern weil warme Luft viel Feuchtigkeit aufnimmt und kalte Luft viel weniger. Deswegen sind kalte Nächte auch klarer als Warme.  

Genug von Physik, Meteorologie, Biologie oder wo auch immer so etwas hingehört. Auf jeden Fall in die Bauphysik. 

Bei uns im Auto ist es kalt genug, wie man sehen kann. Auf dem Thermometer im Armaturenbrett erkenne ich sofort eine alte bekannte Marke, welche anscheinend immer wieder angelaufen wird: Minus 27 Grad! Gut zu erkennen an den zugefrorenen Scheiben und am Inhalt meines Kaffeebechers, den ich am Abend vorne vergessen hatte. 

Wir jedenfalls wollen schnell dahin, wo wir noch bei klarem Wetter vielleicht Nordlichter sehen – dazu müssen wir hinter den Polarkreis. Am besten wäre es ja, wenn wir bis Sonntag auf den Lofoten oder vielleicht sogar in Andenes landen, denn dort sollte es möglich sein, diese grünen  und roten Gebilde zu sehen, wenn sie kommen. Die Lofoten liegen nördlich genug und es gibt genug freien Blick auf das Wasser oder über die Berge, um das Spektakel zu beobachten.  

Souvenire gibt es laut Mr. Google erst ab 11.00 Uhr, also müssen wir nicht so früh aufstehen und können noch einen Tagesausblick schreiben und ein paar Worte zu den Dax Positionen des Vortages verlieren, denn es ist Nachrichtentag an der Börse.  
Um 11.00 Uhr dann die Abfahrt von unserem Busschildchen, einen Kaffee zum Wärmen, nachdem wir mal wieder Eis im Innenraum kratzen durften: 

Die erste Anfahrt zum Wasserfall war ein Vorbeiflug, weil ich natürlich die Zufahrt anders in Erinnerung hatte als sie sich jetzt präsentiert. Wenn man etwas so grundverkehrt macht, dann darf, oder muss, man nochmal. Also fahre ich bis zum nächsten Wendepunkt an der Straße, die ja hier nicht so reichlich vorhanden sind. Schnell sind da mal 10 km Umweg drin, aber den nehme ich gerne in Kauf, denn diese Stromschnelle muss interessant sein bei den Temperaturen. Und was soll ich sagen: Alles war richtig, was wir befürchtet haben…  

 Café und Shop haben geschlossen, aber nicht nur mal so, sondern für immer. Das ganze Gebäude steht zum Verkauf für 12 Mio. NOK. Ein stolzer Preis, aber auch ein wunderschönes Fleckchen Erde. Gut, das spart Geld und auch Platz im Wohnmobil, denn es müssen keine  Mitbringsel verstaut werden. Obwohl uns immer noch ein troll im WoMo fehlt, der Unheil von uns fernhält, aber den bekommen wir hier nicht, dafür aber eine Pracht von Wasserfall im tiefsten Winter: 

Es sind nur 100 Meter (oder weniger) vom Auto zum Wasser, deswegen schnell Jacke überschmeißen, Kamera über die Schulter und zum Wasser. Mütze, Handschuhe, Schal; das alles ist Luxus für die paar Meter. Jedenfalls meine ich das und stiefele los… 

Kaum am Wasser angekommen, bemerke ich meinen Fehler schnell, denn ich habe keine 10 Minuten fotografiert bzw. gefilmt und habe schon das Gefühl, meine Finger fallen gleich ab. Direkt, nachdem sie von den Kuppen bis zum Ehering zerfroren sind. Heiliger ist das kalt, das glaubt einem Niemand. Aber dieses Video entschädigt, oder?  

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Also, ab in die warme Hütte, Pfoten aufwärmen und auf geht´s: Bis zu den Lofoten sind es schlappe 500 km. Maps gibt die Reisezeit mit knapp 8 Stunden an, und eine Fähre haben wir auch noch dazwischen von Bognes nach Lødingen. Wie die letzten Kilometer auch hier das gleiche Muster auf der E 6. Auf Strecken von 20 bis 30 km kommt einem keine Auto entgegen und auch kein Auto hinter uns zu sehen. Da spielen sich im Kopf Bildgeschichten ab, wenn jetzt was passiert… Dich findet hier keine Sau, und bis Du vermisst wirst, bist Du der Ötzi. Aber wir haben ja vorher alles gecheckt und verlassen uns auf die Straßenerfahrung und auf das Auto.  

Beeindruckend sind hier die Temperaturschwankungen. Am Ortseingang hast Du über 20 Grad Minus, zwei Kilometer weiter dann nur noch 8 Grad Minus und wieder 5 Kilometer weiter zeigt das Thermometer schlappe 19 Grad Minus. Unglaublich, wie die Norweger damit klarkommen. Ich würde wohl im Ort mit Badehose rumrennen, und am Ortsausgang dann einen Pelzmantel drüberziehen.  

Gegen Mittag landen wir schon in Mossjøn. Hier muss ich einfach noch eine Runde um den Kreisverkehr drehen, denn das ist ein Sonnenaufgang! Ja, der ist hier erst Mittags gegen 12:30 Uhr : 

Da die Straßen sehr leer sind, kommen wir allerdings sehr gut voran. Das ist wiederum der Vorteil, wenn kein anderer auf der Straße unterwegs ist. Gegen 15.00 Uhr überlegen wir, ob wir parken und übernachten. Denn es ist stockdunkel und die Kutscherei auf eisglatter Straße mit 7 Tonnen und Sturmböen, das strengt echt an. 

Wir beschließen erst einmal die Füße zu vertreten und im Supermarkt nach Brauchbarem zu suchen. Frikadellen zum Beispiel (oder Klopse, Buletten, Köttböller – wie auch immer), denn die eignen sich hervorragend, um sie während der Fahrt weg zu knuspern. Man muss nicht anhalten, verbrennt sich nicht die Pfoten wie an einer Bratwurst, schmiert nicht so rum, und ganz wichtig: Man weiß nicht, was drin ist!  

Die paar Minuten, die wir investieren, um Köttböller, Bulletten, Frikadellen für das Lager zu besorgen, tun echt gut, und mir geht es besser. Ich beschließe, das Maximum rauszuholen, und soweit wie möglich voran zu kommen. Nicht faul am Henkelglas vor dem Fernseher zu liegen, sondern Gas geben – ab Dienstag soll es regnen.  

Kurz nach 15.00 Uhr erreichen wir, auch wieder fast allein, den Nordpolarkreis. Auch hier alles zu. Kein Shop und kein Café offen. Ob nun im Winter generell, oder mit einem Dankeschön an Corona, wissen wir nicht. Parkplatz nicht geräumt, a…kalt und keine Menschenseele zu sehen. Erschwerend die Sehnsucht nach den Lofoten und Walen oder Nordlichtern. Es ist nicht viel Zeit, aber für ein Bild am Circle reicht es. Für die Stecknadel in der Karte und für den Reisebericht, steige ich ohne Jacke (anscheinend am Morgen nicht genug gelernt) aus dem Auto, ein Selfi und schon geht es weiter:   

Laut Navi, also das von Garmin und nicht das blonde neben mir, kommen wir um 19:30 Uhr in Bognes an. Dort fährt die Fähre an Lödingen um 19:45 Uhr ab; ich glaube, das wird verdammt knapp und ich gebe Gas. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird als Grundlage für die Ankunftszeit genommen. Da wir immer wieder hoch und runter und Serpentinen vor der Frontscheibe finden, wird der Durchschnitt oft unterschritten. Also muss ich den auf graden Strecken wieder überbieten, was bei glatten Straßen nicht so einfach ist.  

Wir beschließen, noch ein frisches Brot zum Abendbrot zu backen. Und das geht am besten während der Fahrt und diesmal im Brotbackautomaten. Für irgendetwas muss das Ding ja gut sein. Dafür benötigt man erst einmal Sauerteig, der aktiv gemacht werden muss. Das haben wir gestern Abend schon gemacht und nun geht es ans Backen. Alles zusammen rühren, in die Maschine schmeißen und dann braucht es ungefähr 3 Stunden, bis es fertig ist. Dafür können wir die Fahrzeit und den Strom der Lichtmaschine nutzen: 

Wir sind wieder einmal happy, geile Flammen am Auto zu haben, denn ab 15:00 Uhr stockduster und bei gutem Licht kann man sich besser orientieren. Ich dachte immer, wir übertreiben etwas, aber wem in Dunkelheit mal ein norwegischer Truck entgegen gekommen ist, der weiß, was LICHT ist. Deswegen haben wir unser Schätzchen auch etwas aufgepeppt, damit man wenigstens einen Kilometer schauen kann, und somit auch die Gebilde der Natur einfach erkennt und genießt: 

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Zeitfenster ging bis 19:45 Uhr, denn dann legt die Fähre ab. Nicht, dass am nächsten Tag nicht auch noch eine fährt, aber wir wollen ja 2 oder 3 Nächte dortbleiben. Und es ist schöner abends anzukommen, alles fertig zu machen, mit dem Wissen, dass man dann ein paar Tage Ruhe hat. Wenn man am nächsten Tag noch wenige (Kilo)meter fahren muss, zerreißt man sich den Tag komplett. Angefangen beim Wecker stellen, was man am Wochenende so gar nicht will, oder?  

Ankunft an der Fähre um 19:32 Uhr, yeah yeah yeah! Wir schaffen die Fähre um 19:45 Uhr und werden um 21:00 Uhr auf den Lofoten sein.  

…und das besonders coole: Das ganze Wohnmobil riecht jetzt nach frischem Brot. Wir können es kaum erwarten anzukommen, um warmes Brot mit frischem Gänseschmalz von Weihnachten und Gurken aus dem Spreewald zu vertilgen. Der Geruch macht fürchterlichen Appetit, muss ich ja zugeben: 

Conny hat einen Platz gefunden im Hafen von Lødingen. Ich bin etwas skeptisch, aber ich lasse mich auch gerne überraschen, schließlich macht sie das ja schon seit über 20 Jahren auf unseren Reisen.  

Die Fähre war alles andere als überlastet. An Bord vier PKW und 2 LKW sowie ein Wohnmobil. Dafür, dass man im Sommer lange Wartezeiten hat für die Überquerung, ist das hier eine angenehme Überfahrt.  

Von der Fähre runter und direkt zum Stellplatz, also keine drei km mehr, denn wir werden hier direkt am Hafen auf einer kleinen Mole übernachten. Die Zufahrt absolut spektakulär, mit einer zulässigen Maximalbreite von 3,10 Meter. Im ersten Augenblick dachten wir 3,10 Meter Höhe, dann wären wir draußen.  

Der Platz ist von Norwegern gut besucht, wir sind die einzigen „Ausländer“. Aber sie verstehen es auch im Winter zu campen. Unsere Nachbarn haben es sich gemütlich gemacht.  
„Hügelig“ sagt der Skandinavier dazu. Aus einer Waschmaschinentrommel wurde ein Feuerkorb gebaut, der draußen aufgestellt wurde, um dann zu heizen, was das Zeug hält.  

Stühle drum mit dicken Polstern, eine Wolldecke sowie einen Glühwein dazu, und schon ist es „hügelig“. 

Sehr schön, aber für ein Feuer ist es uns zu spät, und wir sollen auch noch eine andere Überraschung erleben, die aber erst in der nächsten Folge beschrieben und bebildert wird.  

An dieser Stelle soll es reichen, dass wir alles aufstellen, ausrichten, Strom anschließen und entspannen – der Tag war echt hart.   

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10 Kommentare

  1. Hey ihr Drei,

    Thorsten, du schreibst echt mitreißend und bebilderst es mit Worten. Die Bilder sind dann noch das i-Tüpfelchen. Bleibt schön gesund und ich freue mich auf mehr spannende Berichte.

    VG
    Sebastian

  2. Liebe Traute und Rolf Dieter,

    vielen Dank für euren Beitrag, viele Grüsse aus dem Norden und einen schönen Abend!

    Thorsten und Conny mit Pico

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Über den Autor

die beiden Verrueckten

Thorsten Helbig

Thorsten Helbig ist bereits seit mehr als 20 Jahren Börsenhändler mit Leib und Seele. Außerdem liebt er es, die Welt mit seiner Frau und seinem Hund im Wohnmobil zu erkunden. Als Reisender Händler zeigt er, wie man unterwegs an der Börse Geld verdienen kann.

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